ALMUT LINDE
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IAN GROSE

Almut Linde
Temporary Wholeness

16. Juni – 8. September 2019

 

Almut Linde (* 1965 in Lübeck) arbeitet mit Menschen und sozialen Systemen. Kooperativ und interdisziplinär arbeitet sie an Orten, in denen das Individuum systemischen Zwängen unterliegt. Personen oft kunstfremder Berufssparten werden zu (un)wissenden Kollaborateuren in der Produktion von Kunstwerken. In Ihrem Werk wirft Sie grundlegende Fragen zur menschlichen Existenz auf, wie zum Beispiel den Unterschied zwischen individueller Autonomie und strukturellen Bedingungen in sozialen Systemen. Ihre Installationen und Fotoarbeiten handeln von Schönheit und Grausamkeit unseres Alltags. Mit Hilfe von Verfahren der Konzeptkunst und der Minimal Art hat die Künstlerin eine eigene Ästhetik geschaffen, die die Handlungen hinter den Werken sowohl wahrheitsgetreu als auch schön erscheinen lassen können. Unter der Bezeichnung Radical Beauty hat Almut Linde diesen ihren eigenen künstlerischen Ansatz auch im Rahmen ihrer gleichnamigen Dissertation zum eigenständigen Kunstbegriff definiert.

Auf dem Gut Kerkow wird Almut Linde zwei Werkserien präsentieren. Zum einen wird sie in enger Zusammenarbeit mit der hauseigenen Schlachterei minimalistische Farbfeld Malerei erstellen. Die Künstlerin wird nicht nur einer Schlachtung beiwohnen, sondern auch das Blut, das im Rahmen jener Aktion anfällt, dazu verwenden, großformatige monochrom-einfarbige Malerei zu schaffen. Aus den Zwängen von Fleischproduktion kann unerwartete ambivalente Schönheit entstehen.

Eine zweite Werkserie stammt aus dem Jahr 2005 und wurde auf einem Betrieb für Massenherstellung von Milch in Mecklenburg Vorpommern entwickelt. Die Arbeiter des Hofes wurden von Almut Linde gefragt, ihr ihre jeweilige Lieblingskuh zu zeigen. Die Intention war, in einer Umgebung, welche Kühe auf Milchproduktionseinheiten reduziert, eine unlösbare Frage zu stellen. In der Realität hatten die Arbeiter aber kein Problem, sofort auf eine Lieblingskuh zu zeigen. Sie wurden in der Pose, die sie dazu eingenommen hatten, fotografiert. Im Text zeigen die Beschäftigten im Massenbetrieb, wie vielen Zwängen sie bei der Produktion von Milch und im Umgang mit lebenden Tieren unterliegen.

Der Ausstellungstitel Temporary Wholeness fasst Schönheit und Rohheit heutiger Lebenswirklichkeit zusammen. Auch bei der Produktion von Fleisch und Milch ist Ganzheit da, wird zerstört und temporär immer wieder neu hergestellt. So versuchen die Melker im System der „Lieblingsmilchproduktionseinheiten“ ein Ganzes mit dem System des Massenbetriebs zu bilden und nicht entfremdet im Prozess zu sein. Genauso findet in Kerkow vom Kalben bis zum Schlachten und anschließendem Verkauf alles vor Ort statt: Ein Kreislauf, der durch Schlachten und Zerteilen des Tiers scheinbar unterbrochen wird, aber auch wieder eine Ganzheit darstellt, wenn man an das Verspeisen als Einverleibung als Grund Prinzip des Lebenserhaltens denkt.

Ian Grose
Isolation and Repetition

16. Juni – 8. September 2019

 

In seiner Isolation als Nicht-Deutsch-sprachiger, ausländischer Künstler in der Uckermark und nicht-landwirtschaftlich arbeitende Person auf einer funktionierenden Bio-Rinderfarm, nahm er sich auch in seiner Malerei dem langweilig-langatmigen Studium der malerischen Wiederholung von einem einzigen schlichten Motiv in leicht abweichenden Ausführungen an.

Als Vorlage für seine Serie von gleichformatigen Malereien diente ihm ein gefalteter Stoff mit Blumendruck. In seinem malerischen Ansatz galt sein Interesse hier besonders der fast vollständigen Beseitigung der Bildtiefe unter Betrachtung der Musterung des Stoffes als reinem Ornament jenseits von seiner motivischen Dreidimensionalität. Eine auffällige Spannung zwischen den Markierungen des „Darstellen“ und des „Dargestellten“ entsteht und scheint gleichberechtigt neben einer ähnlichen Spannung zwischen dem abgebildeten Stoff und dem Leinenträger zu erzeugen.

Die Wiederholung der Bilder als gleichformatige Serie mit nur geringen Abweichungen untereinander entspricht offensichtlich der Wiederholung des Stoffdrucks, obwohl doch jedes Bild auf verschiedene Weise unterschiedlich manipuliert wurde und doch die Positionierung der Falten und Unterbrechungen konstant bleibt. Jedes Bild transportiert somit eine andere Stimmung und eine andere Art von Spannung zwischen Tiefe und Ebenheit – fast wie in der akribischen Analyse zweier Suchbilder oszilliert der Blick des Betrachters zwischen Gleichheit und Differenz, Fläche und Tiefe oder Realismus und Abstraktion hin und her.